Mission:

Von Florian Keisinger (Airbus) und Wolfgang Koch (Fraunhofer FKIE)

Was ist das „Future Combat Air System“?

Das „Future Combat Air System“, kurz: FCAS, ist das größte und ambitionierteste europäische Verteidigungsprogramm der kommenden Jahrzehnte, wenn nicht des gesamten 21. Jahrhunderts. Vorgesehen ist nicht weniger als ein Luftverteidigungssystem für Europa, das ab 2040 sukzessive die bestehenden Plattformen wie Eurofighter oder Rafale zunächst integrieren und zu einem späteren Zeitpunkt ablösen soll.

Im Jahr 2017 haben die Regierungen Deutschlands und Frankreichs die Entscheidung getroffen, ein solches System gemeinsam zu entwickeln. 2019 kam Spanien als drittes FCAS-Partnerland dazu. Im Laufe der Zeit sollen weitere europäische Nationen an Bord genommen werden und das FCAS somit in ein wahrhaft gesamteuropäisches Projekt weiterentwickelt werden. Gelingt dies, könnte sich das FCAS als ein Katalysator bei der Gestaltung einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Zukunft erweisen.

Ein Kennzeichen des FCAS ist, dass es deutlich mehr sein wird als „nur“ ein Kampfflugzeug. Bemannte Jets neuester Generation sind darin Elemente eines komplexen und umfassend vernetzten „System-of-Systems“. Unbemannte Komponenten, sogenannte „Remote Carrier“, schützen als „loyal wingmen“ die Piloten und begleiten sie in Kampfmissionen. Offene Systemarchitekturen erlauben, auch bestehende Plattformen in ein FCAS zu integrieren. Zentral ist eine „Air Combat Cloud“, die alle relevanten Informationen den Akteuren einer Mission in Echtzeit zur Verfügung stellt.

FCAS Visualisierung

Warum eine AG Technikverantwortung?

Das FCAS ist somit auch ein Meilenstein für die Entwicklung von Hochtechnologie in Europa. Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Big Data Analytics, Krypto-Komponenten oder Mensch-Maschine-Interaktion kommen in einem FCAS zum Einsatz.

Dies eröffnet neue sicherheitspolitische und militärische Möglichkeiten, birgt aber auch Herausforderungen ethischer und rechtlicher Natur. Wie können wir sicherstellen, dass wir ein europäisches Luftverteidigungssystem entwickeln, das den Missionsanforderungen des 21. Jahrhunderts in einem globalen Maßstab entspricht?

Und zugleich sicherstellen, dass die verantwortbare menschliche Kontrolle eines solchen Systems zu jedem Zeitpunkt und unter allen Umständen vollumfassend gewährleistet ist?

Aus der Zusammenarbeit von Airbus und Fraunhofer bei der Entwicklung technologischer Grundlagen für ein FCAS entstand der Gedanke, die Operationalisierung ethischer und rechtlicher Prinzipien durch entsprechendes informations- und ingenieurwissenschaftliches Design voranzutreiben. Die Herausforderung dabei ist eine doppelte: zum einen, die entsprechenden Prinzipien zu definieren; zum anderen, sie technologisch zu implementieren.

Das Resultat der gemeinsamen Initiative ist die „Arbeitsgemeinschaft Technikverantwortung“, mit der systematisch die Entwicklung eines FCAS begleitet werden soll. Ziel ist die Festlegung und technische Umsetzung ethisch und völkerrechtlich fundierter „Leitplanken“.

An der Arbeitsgemeinschaft beteiligen sich wichtige Stakeholder aus den Ministerien, den Behörden und der Bundeswehr. Naturgemäß besitzt die deutsche Informations- und Ingenieurwissenschaft, vertreten durch Universitäten und Forschungsinstitutionen wie Fraunhofer und DLR, eine bedeutende Rolle. Entscheidend für den Erfolg ist jedoch die Gesellschaft als Ganzes, die sich durch einen breiten Querschnitt politischer Stiftungen, Hochschulen sowie politik- und gesellschaftswissenschaftlicher Think Tanks in der „AG Technikverantwortung“ engagiert.

Die Mitglieder sind allein ihrem Gewissen verpflichtet. Das Format lebt vom kritischen Diskurs. Geplant sind jeweils zwei Zusammenkünfte jährlich. Jedes dieser Treffen widmet sich konkreten Fragestellungen. Die Ergebnisse der Diskussionen werden festgehalten und auf dieser Website veröffentlicht.

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wird somit ein verteidigungspolitisches Großprojekt von Beginn an vom gedanklichen Ringen um die technische Umsetzung ethischer und rechtlicher Grundprinzipien begleitet – „ethical and legal compliance by design“. Da FCAS als ein europäisches Projekt konzipiert ist, soll mittelfristig auch die „AG Technikverantwortung“ transnational ausgeweitet werden.